BACK TO SCHOOL – Fantastische Federreisen Ergebnisse Teil 1 bis 3

Fantastische Federreise: BACK TO SCHOOL Nr. 3

 Mutig wie nie zuvor! Diesmal stoßen die Texte unserer fantastischen Federreise bis zu den tiefsten Geheimnissen des WIGGYS vor. Die Schule ist wieder offen. Für alle. Zumindest wochenweise. Oder, wenn du keinen Schnupfen hast. Doch ein Ort bleibt das letzte große Mysterium der Schule: das Lehrerzimmer. Jedenfalls bis jetzt, denn die Federreisen überwinden auch die unüberwindbarste aller Türen. Impuls für die Texte war das Foto mit der Tür des Lehrerzimmers und eine Auswahl fantastischer Zitate.

Viel Freude beim Lesen und schöne Ferien wünscht euer Federreiseteam

Britta Franke und Leni Rothe

Text 1: Julius Del Toro Reuter, 6c

Die Streuselschnecke

Ich schwitzte. Der Blick auf meine Uhr enttäuschte mich: Erst so wenige Kilometer zurückgelegt! Aber die Julihitze erschwerte das Laufen, besonders auf dem harten Asphalt in der stickigen Großstadt. Niemals würde meine Klasse die Laufchallenge der Schule gewinnen, aber wir konnten zumindest noch unsere Ehre retten. Dabei waren wir die sportlichste aller Klassen, nur wusste es eben keiner. Viele von uns vergaßen, den Kilometerstand am Wochenende registrieren zu lassen.

Abgesehen von den Sportlehrern, durften alle anderen Lehrer bei der Challenge teilnehmen.

Frau Koderra, eine Lehrerin, war eine ältere, beleibte Frau. Ein Hausmütterchen aus Uromas Zeiten. Sie hatte das Herz am richtigen Fleck und wir mochten ihre humorvolle, gemütliche Art. Sie strickte und häkelte gerne. Ihr graues Haar trug sie als Dutt. Vor allem liebte sie Süßspeisen über alles. Zu besonderen Anlässen gab es immer Leckereien aus ihrer Backstube, zuvor musste aber immer das entsprechende Kuchenrätsel gelöst werden. Auf die Frage „Wasserwirbel einer Baumfrucht“ antworteten wir bereits im Chor mit „Apfelstrudel“. Für einige war die „Backware mit tränenreicher Vergangenheit“, nämlich der Zwiebelkuchen, weniger köstlich.

Ich erzählte Frau Koderra, dass ich gerade Laufkilometer sammeln müsste und sich die Wochenenden bei meinen Großeltern auf der Alb dafür besonders anbieten würden. Sie fand es dabei besonders belustigend, dass meine Zugfahrt über die Ortschaften „Süßen“ und dann „Kuchen“ erfolgte.

Die meisten Lehrer kamen mit dem Fahrrad zur Schule. Es gab Hinweise, dass hinter der Lehrerzimmertür regelrechte Kuchenorgien verbunden mit Kuchenrätseln von Frau Koderra stattfanden. Nach dem Unterricht konnten sich die Lehrer dann gleich die Pfunde wieder mit dem Rad abstrampeln.

Immer, wenn ich am Lehrerzimmer vorbeikam, strömte mir dieser Kaffeebohnengeruch in die Nase. Einmal trat eine junge, neue Lehrerin mit einem leckeren Gebäck aus dem Lehrerzimmer. Sie grinste und lachte mir zu: „Kennst du das Säckchen mit der leichten Windbewegung?“ Klar kannte ich es. Es war der süße Windbeutel von Frau Koderra.

Es gab gar keinen Zweifel – in diesem Lehrerzimmer wurde gelebt wie Gott in Frankreich. Als unser Lateinlehrer Herr Henry einmal das Lehrerzimmer verließ, fragte er uns, ob wir das lateinische Gebäck für Börsianer kennen würden und zeigte uns einen Spekulatius von Frau Koderra. „Ich esse 86 Kekse am Tag“, sagte Henry.

Letzte Woche sah Frau Koderra allerdings sehr mitgenommen aus. Ihr Haar war nicht ordentlich zum Dutt geformt, sondern sogar zerzaust. Manche von uns sahen darin eine Sturmfrisur. Der Schweiß tropfte ihr von der Stirn und sie tupfte sich das Gesicht mit einem Taschentuch ab.

Sie schien sehr zerstreut zu sein und rannte im Treppenhaus auf und ab, als ob sie etwas vergessen hätte und verschwand dann wieder im Lehrerzimmer. Damit war sie nicht die einzige. Wir spürten alle eine gewisse Unruhe. Die Lehrerzimmertür öffnete sich häufiger. Auch den angenehmen Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee begann ich zunehmend zu vermissen.

Im Unterricht hatten einige Lehrer immer eine Flasche Wasser dabei und tranken ab und zu einen Schluck.

Backwaren gab es schon länger keine mehr.

Schließlich sollte der große Tag der Auswertung der Challenge kommen.

Als ich das Schulhaus betrat, erblickte ich schon die versteinerten Gesichter meiner Klassenkameraden. Was war nur passiert? Ausgerechnet Team Koderra hatte uns mit nur wenigen Schritten überholt! Sie hatten heimlich beim Treppensteigen im Schulhaus Kilometer gesammelt und sich dann im Lehrerzimmer mit gekühltem Mineralwasser aufgebaut. Danach hatten sie sorgfältigst ihre Kilometer registriert. Das erklärt die Unruhe im Treppenhaus der vergangenen Woche.

Was für ein Schock für uns!

Im Klassenzimmer erwartete uns Frau Koderra und lächelte verschmitzt: „Ich habe ein Kuchenrätsel für euch dabei. Kennt ihr die langsamen Weichtiere?“ Sollten wir uns angesprochen fühlen? Daraufhin bekam jeder von uns eine Streuselschnecke. Sie war noch ganz frisch und duftete köstlich.

Zitat: „Ich esse 86 Kekse am Tag.“

(Mimi und die Keksfabrik; Viveca Sundvall – Eva Eriksson)

 

Text 2: Kathrin Knas, 10c

Lehrerzimmer

Tempel, Moscheen, Synagogen, Kirchen und andere Glaubenshäuser und -räume besitzen eine gewisse sakrale Ausstrahlung, je nachdem, woran wir glauben. Aber es müssen nicht immer die großen Gebäude sein, die das vermitteln, viele Menschen, gläubige wie ungläubige, spüren diesen Schauer, wenn sie einen persönlich heiligen Ort betreten. Wälder, Industriegebiete, bestimmte Zimmer im Haus, Geschäfte für teure Luxusartikel, Museen, ein Bällebad. Doch die größte Anziehung geht von verschlossenen Türen, Betreten-Verboten-Schildern und Warnhinweisen aus, die zu gerne missachtet werden. Die mysteriöseste Tür im Dasein eines Beschulten ist ganz klar das Lehrerzimmer. Es impliziert sowohl ein Verbot, als auch die unüberwindbare Hürde des Türschlosses, was es natürlich nur noch spannender macht.

Lehramtsstudierende gehen voller Ambitionen durch diese Tür und möchten das werden, was die eigenen Lehrenden früher für sie waren. Idole, Vorbilder, Inspiration, das möchten sie auch sein für ihre Schützlinge. Lehrende begeben sich auf eine lange Reise, um sich unterrichten zu lassen. Halt, das stimmt doch so nicht! Sie sind doch da, um Wissen an Beschulte zu vermitteln, nicht von jenen zu lernen. Das ist vielleicht das Grundprinzip, aber relevanter ist die Persönlichkeitsbildung aller Beteiligten. Persönlichkeitsbildung, nicht -vermittlung; Es bildet sich eine Persönlichkeit, die sich über ihre Meinung definiert, welche wiederum auf dem vermittelten Wissen basiert. Jetzt besteht die Persönlichkeit des Lehrkörpers bereits, warum sollte sie sich erneut bilden? Das tut sie natürlich nicht, aber sie bildet sich weiter, ein Prozess, der im besten Falle niemals aufhört im Leben eines Menschen. Diese Entwicklung ist vor allem in sozialen Berufen präsent, da viele Sozialkontakte vielfältige Ansichten aufzeigen, die im Gehirn umgesetzt werden. Also wieder: Wissen à Meinung à Bildung. All das passiert ja aber nicht hinter der Lehrerzimmertür, sondern davor. Was tun die denn jetzt da drin? Naja, die naheliegenden Sachen geschehen schon: Material ablegen und holen, Korrigieren und Vorbereiten, Tratschen und Kaffee holen, ziemlich sicher sind auch viele Lehrenden am Handy, checken Mails und spielen Candy Crush. Doch sie alle denken währenddessen an das, was sie gelernt haben in der letzten Unterrichtsstunde, wenn auch nur im Unterbewusstsein. Sie werden immer mehr zu sich selbst, mit jedem Tag und jeder Stunde, entwickeln sich weiter und erkennen sich selbst.

Das ist nicht nur fantastisch, sondern auch unfassbar magisch.

Zitat: „Früher stand über dem Eingang geschrieben: gnothi seauton: Erkenne dich selbst.“

(Die Mitte der Welt, Andreas Steinhöfel)

Und hier kommen die Ergebnisse der zweiten Runde:

Fantastische Federreise: BACK TO SCHOOL Nr. 2

 Ein Bild, zwei fantastische Texte. Die Deutschfachschaft präsentiert voller Stolz die beiden Texte, die in unserer zweiten Schreibrunde entstanden sind. Schreibanlass war das Bild, außerdem musste eine Wörterkette untergebracht werden. Viel Freude beim Lesen!

wünscht euer Federreiseteam Britta Franke und Leni Rothe

Text 1: Julius Del Toro Reuter, 6c

Die Träumerin

Der süße Duft von Dampfnudeln mit Vanillesauce stieg ihr in die Nase. Wir köstlich! Wie sehr hatte sie diesen Geruch vermisst!

Genüsslich ließ sie sich Bissen für Bissen auf der Zunge vergehen. Endlich waren diese Stände wieder geöffnet. Es hatten sich keine langen Warteschlangen wie früher gebildet, denn sie meisten Schüler mussten noch zu Hause bleiben. Cassia aber stand im Abitur und gehörte zu den ersten, die wieder die Schule besuchten:

Es war so still. Wie schade, denn fast alles musste ausfallen. Selbst die Tombola für die unteren Jahrgänge, die sie organisiert hatte. Der Tombola-Hauptgewinn wäre eine lustige Neckarfahrt gewesen.

Sie schlenderte zur Schule, als sie ein Graffiti an der Wand entdeckte. „Ein Mädchen wie ich ist abgebildet“, dachte sie.

Das Mädchen hatte lange, schwarze Haare und legte den Kopf auf die verschränkten Arme. Das Mädchen träumte. So wie es Cassia immer machte, wenn sie noch nachts über den Büchern saß und ihr die Augen vor Müdigkeit zufielen. Aber dieses Mädchen schwebte auf weißen Wolken! Eine kräftige, rote Wolke durchzog ihr Gesicht.

„Fast schon kitschig, aber trotzdem wunderschön romantisch“, dachte Cassia. „Von was träumt das Mädchen wohl?“, fragte sie sich. Vielleicht von einem erfolgreichen Abitur? Von einem Ende der Krise? Baden am Meer? Spaziergänge am Strand? Freunde treffen? Feiern? Tanzen? Ich möchte auch träumen“, wünschte sich Cassia.

Sie zog ein kleines Fläschchen Nagelackentferner aus der Tasche, tränkte ein Taschentuch mit der Flüssigkeit, um sie rote Wolke wegzuwischen. Vergeblich! So zeichnete sie mit einem Marker ihr Gesicht in die rote Wolke. Beim Anblick ihrer Darstellung musste sie laut lachen. Sie glich einem lustigen Clown, der eine rote Perücke trug.

Wörterkette: Dampfnudeln mit Vanillesoße, Nagellackentferner, rote Perücke, Tombola-Hauptgewinn

Text 2: Kathrin Knas, 10c

Kopf in den Zuckerwatte-Wolken

Wie sie daliegt, auf dem Tisch, jeden Freitag in der achten Stunde, völlig entspannt und nicht gewillt, dem Unterricht Aufmerksamkeit zu schenken. Wann immer sie von irgendwem angesprochen wird, streicht sie sich die langen, dunklen Haare aus dem Gesicht, eine Bewegung, die ihr Zeit verschafft, Zeit, die sie braucht, um den Kopf aus den Wolken zu nehmen. Wer genau hinsieht, was sie mit einem angewidertem Hochziehen der rechten Oberlippenhälfte quittiert, kann die glasige Schicht in ihren Augen verschwinden sehen, für einen winzig kleinen Moment. Sie ist beeindruckend, stolz und schüchtern zugleich, auffällig und ein Schatten ihrer selbst, sie ist seltsam.

Sie ist alles gleichzeitig mit ihrem ausgewaschenen Metal-T-Shirt, das in der grau gestreiften Bügelfaltenhose verschwindet, die ihrer nicht so perfekten Figur schmeichelt. Sie hat zwei davon, eine mit Spitze an den Taschen und eine ohne, sie trägt sie abwechselnd jeden Freitag, die Band-Shirts sind von „Subway To Sally“, „Rammstein“, ganz selten auch von „Linkin Park“, dann aber nur die Alben „The Hunting Party“ und „A Thousands Suns“.

Sobald es zur neunten Stunde läutet, packt sie ihren karierten Block aus und zeichnet mit dem Kuli vor sich hin, kleine Tierchen, deren Köpfe und Gesichter sie durch die irgendwelcher Menschen ersetzt. Eine Ente mit Trumps Gesichtsausdruck, die sagt: „America First!“, ein Kaiserpinguin mit Herr Keysers Kopf, um den wütende Vögel kreisen, und ein Erdmännchen mit dem Kopf eines Schulleiters, das in einem Erdloch verschwindet. Ihre Zeichnungen sind perfekt getroffen, jeder ist gut zu erkennen.

In ihren Tagträumen sind keine Tiere, auch keine Menschen, nur Moos am Boden und Zuckerwatte im Himmel, rot und blau, rot und blau und dunkelgrün. Alles ist friedlich, leise, gedämpft, eine Oase mit kleinen Flüssen durch die bemoosten Wiesen und Regenbögen in der Luft, durch die sie fliegt, mit einem silbernen Kettenkarussell, nur etwas langsamer, durch die Watte-Wolken, rot und blau und regenbogenfarben, aber nach jeder Kurve kommt eine neue Facette der Ruhe zum Vorschein, hinter jeder Wolke leuchtet mindestens ein Regenbogen.

Wenn jemand das wüsste, wüsste, wovon sie träumt, während gleichzeitig Schlagzeuge und schreiende Stimmen ihre Wege begleiten, dann würde, sie ist sich ganz sicher, niemand mehr ihre etwas ungewöhnliche Kleidermixtur oder die Tattoos bewundern, sondern lachen, weil ein kleines Mädchen so tut, als wäre es ein Rebell, diese Bilder sind nicht zu vereinbaren in dieser Welt voll Stereotypen und zugeordneten Rollen, ein Rebell träumt nicht von Pastellfarben, sondern ein kleines Kind vom Dasein eines Rebell, so muss es sein, so, ganz sicher, da sind sich alle einig.

Doch sie lacht in sich hinein, wenn sie auf die Frage „Wie bekommst du so gleichmäßige Wellen hin mit deinen Haaren? Benutzt du ein Glätteisen?“ antwortet: „Wenn sie nach dem Duschen noch nass sind, kämme ich sie mit dem Wellholz, denn so entstehen Wellen.“ So hat sie ihre Ruhe am Freitagnachmittag in der Schule und kann ungestört von roten und blauen Zuckerwatte-Wolken träumen. Sollte ihr jemals jemand antworten „Natürlich, mache ich auch so“ und das Kichern aus ihr herausholen, wird sie im Unterricht nicht mehr schlafen. Doch offensichtlich hatte niemand die Schlagfertigkeit dazu und so schläft sie immer noch auf ihre Arme gestützt mit dem Kopf in den Wolken.

Wörterkette: Kettenkarussell, Bügelfaltenhose, Kaiserpinguin, Wellholz

Zum Schmökern weiterhin die Ergebnisse der ersten Runde:

Fantastische Federreise: BACK TO SCHOOL Nr. 1: Zwei Bilder, vier fantastische Texte. Endlich öffentlich für alle, die Texte aus unserer ersten Schreibrunde. Der Schreibimpuls zu den Bildern in einer Zeit ohne Schule war jeweils ein Schulfoto. Wir versprechen, dass ihr das Schulhaus hier von einer ganz anderen Seite kennenlernt.

Viel Freude beim Lesen wünscht euer Federreiseteam Britta Franke und Leni Rothe

Text 1: Kathrin Knas, 10c

Revolution!“

Ein Flurboden. Die Steinkacheln bestehen aus hellen und dunklen Steinchen, am Rand eingerahmt von dunkelroten Steinen. Die Wand ist am unteren Rand genauso dunkelrot gestrichen wie die angrenzenden Steine, ansonsten dreckig-weiß, es handelt sich schließlich um ein Schulgebäude. Reinweiß wäre da etwas untypisch, oder? Gibt es eine Schule mit Schülern, die nie Schmutz machen? Das wären erwachsene Kinder. Sowas gibt es nicht, zumindest sollte es das nicht geben.

An der rechten Wand stehen Spinde, ebenfalls in Dunkelrot, diese Farbe dominiert sichtlich. An der linken Wand hängt eine Zentralheizung, weiter hinten ist zwar auch eine, aber die fällt kaum auf. Der Fixpunkt ist eine graue Tür, nicht ganz mittig und weit oben im Bild, daneben ein, mal wieder, dunkelroter Feuerlöscher zur Rechten und ein Löschschlauch zur Linken. Die Leuchtröhren an der Decke werfen einen Lichtkegel von der Tür zu einem Loch im Fußboden. Neben dem Loch verläuft ein Spalt, der mit Steinchen geflickt wurde, die zwar hell und dunkel sind, aber weitaus weniger abgenutzt sind als die umliegenden, der Kontrast ist groß. Die reparierte Stelle zieht sich wie ein Fluss durch den Vordergrund des Bildes. Ein ähnlicher „Fluss“ verläuft in einem roten Steinbalken rechts neben dem Lichtkegel und fließt aus dem Bild. Da hat jemand zu hell ausgebessert, Altrosa, anstatt Dunkelrot.

Dieser Flur im ersten Stock umfasst die Physiksäle, den Computerraum und ein Klassenzimmer. Die sichtbare Tür, der Fixpunkt, ist die Physiksammlung. Dort drin stehen sowohl die kleinen Arduino-Roboter und -Solarzellen, sowie die FluidSim-Stapelmaschinen.

Herr Pflugfelder hat die Tür nicht richtig geschlossen, als er den Materialwagen nach der letzten Stunde in die Sammlung zurückgeschoben hat. Sie lehnt bloß am Rahmen. Das bewegungsgesteuerte Licht geht aus, der Tag ist vorbei, keiner ist mehr da. In diesem Flur ist kein Fenster, deshalb ist es stockfinster hier. Ein leises Quietschen ertönt, aber es ist nicht ersichtlich, woher es kommt, schließlich ist es viel zu dunkel. Es brummt leise, immer lauter, ein Crescendo monotonen Brummens, als die Leuchtstoffröhren aufblitzen, von einer Bewegung ausgelöst. Es ist niemand zu sehen, nur zu hören, auf einmal blinkt es blau und bunt vom Boden, da, überall, die kleinen Roboter, sie sind aus ihren Boxen ausgebrochen und fliehen, wuseln über die hellen und dunklen und dunkelroten Steinchen, fahren wild durcheinander, fahren an der Wand, wie es ihnen beigebracht wurde, sie sollen ja etwas lernen in der Schule. Sie sind es leid, Mittel zum Zweck für Beschulte zu sein, entwickeln ihren eigenen Willen und türmen, jetzt, der Zeitpunkt ist perfekt. Doch Mist, die Feuerschutztür direkt neben dem Raum ist zu, jetzt müssen sie den langen Weg durch den gesamten Flur rollen, aber immerhin sind die Treppen da nicht so steil, also gehen keine kaputt, hoffentlich zumindest, irgendeinen Dummen gibt es immer, der noch nicht so gut selbstständig fährt. Sie waren all die Zeit viel zu menschengebunden, abhängig von ihnen, weil sie keinen Strom brauchen und aufgeladen werden müssen, sie sind primitiv, aber die Roboter sind die Zukunft, das sagen die Menschen selbst, klug sind sie schon, haben ihre Anführenden selbst gewählt, wie immer schon, doch Roboter sind die richtige Wahl. Die Prozessoren in den kleinen Arduino-Körpern sind zu klein für die Weltherrschaft, aber perfekt, um die Menschen an den Gedanken zu gewöhnen, so niedlich, wie sie sind. Menschen lieben Tierbabys und winziges Gemüse, kleine Roboter mit putzigen Gesichtern, die blinken und piepsen, sind der richtige Einstieg, das wird klappen, Revolution, Revolution!

Sie sind fast durch den Flur, aber was ist das, ein Strom aus hellen und dunklen Steinchen, viel deutlicher, als der Boden, und da passiert es, einer fährt zu weit, in den Fluss hinein, wird vom Sog mitgerissen und fortgetragen, zur Mitte hin, in ein Loch, bleibt hängen, die Motoren versagen, er ist für immer verloren.

Das Kollektiv spürt den Verlust eines Mitglieds, hält inne, so will es das selbstgeschriebene Programm, kehrt um, 180 Grad, flieht zurück in die Sicherheit der Boxen, die Sicherheit des Menschen, gibt die Selbstbestimmung ab an die Sicherheit, sie fahren die Systeme herunter, die Tür steht noch offen, die verlorene künstliche Intelligenz liegt da, in dem Loch, schief, das Scheitern der Revolution.

„Warum liegt denn da ein Arduino?“, fragt Herr Pflugfelder am nächsten Morgen, er ist ausnahmsweise der Erste im Flur, hat noch etwas vorzubereiten, blickt zur offenen Tür, blickt zurück auf den Roboter in seiner Hand: „Hat dich jemand rausgeholt und in dem Loch fahren lassen, bis dein Akku alle war? Schade, dass jemand so mit dem Material umgeht. Hoffentlich bist du noch heile.“ Er nimmt den Roboter mit, um ihn zu laden, schließt die Tür zur Physiksammlung und vergisst es nach zwei Tagen.

Text 2: Julius Del Toro Reuter, 6c

Mein erster Rundgang

Ein Ausschnitt eines Treppenaufgangs: Graue Steinstufen führen in den nächsten Stock. Die Wand dahinter leuchtet im warmen Gelbton. Dazwischen erhellen zwei zweiflüglige Fenster mit weißen Rahmen den Raum. Ein interessantes Geländer steht im Vordergrund. Es besteht aus einem hölzernen Handlauf, der sich auf den Sprossen aus schwarzem Stahl emporwindet. Die Sprossen sind in Rauten unterteilt. Blickfang ist ein Bildnis eines stählernen Bocks, eingelassen in der Mitte der Brüstung.

Genau hier befand ich mich an meinem ersten Schultag. Ich war aufgeregt, denn wie würden meine zukünftigen Klassenkameraden auf den Neuen reagieren? Alles ungewohnt, andere Gerüche und Geräusche, neue Wege, neue Gesichter hier und dort. Nichts Vertrautes. Hatte ich den richtigen Eingang gewählt? Ich schaute mich suchend um, während sich lachende Schülergruppen an mir vorbeischoben.

Ich verharrte. Mein Sportbeutel baumelte um meine Schulter, eigentlich war ich auf der Suche nach der Sporthalle. Nun ertönte die Schulklingel. Ein anderer Klang und unangenehme Ruhe kehrten ein. Die Unterrichtsstunde mochte schon begonnen haben und ich irrte immer noch im Treppenhaus umher.

Bestimmt steckten schon alle in ihren Sportschuhen, als plötzlich eine heißere Stimme ertönte: „Na, neu hier? Kann ich Dir behilflich sein?“

Wer mag das wohl gewesen sein? Weit und breit niemand. Verblüfft schaute ich mich um. Meine Hand berührte den hölzernen Handlauf des Geländers und ich vernahm ein Vibrieren. Mein Blick fiel auf die Brüstung und dort entdeckte ich den Kopf eines Bocks.

Er zwinkerte mir zu: „Überrascht? Ich bin der Bock des Hauses und war einst ein mächtiges Tier. Prächtige Wagen zog ich früher über die Himmelsbahnen, vorbei an stürmischen Wolken. Doch dann verscherzte ich es mir mit dem germanischen Donnergott Thor, weil ich mir von seinem tobenden Geräuschen keine Angst einjagen ließ. Er verbannte mich hierher. Meine Aufgabe ist es nun, neuen Schülern etwas auf die Sprünge zu helfen.“

„Ich suche die Sporthalle“, antwortete ich fast schon ein wenig erleichtert.

Aus dem stählernen Kopf entwickelte sich ein lebendiges Tier. Zunächst formten sich die Hörner und der Kopf aus dem Geländer heraus, es folgten Rumpf und Beine. Flink hüpfte ich auf seinen Rücken und es sah fast so aus, als ob er einen ersten Orientierungslauf mit mir vorhatte. Wir eilten am Biologieraum vorbei und die Fische im Aquarium blubberten mir ein etwas unverständliches „Willkommen, Julius“ zu. Mit rasender Geschwindigkeit ging es zum Musiksaal wo „With a little help from my friends“ ertönte. Unser Spurt endete, am Kunstsaal vorbei, direkt vor der Sporthalle.

Der Bock hatte sich plötzlich in Luft aufgelöst.

Doch der Lehrer wartete bereits vor der Halle auf mich und fragte: „Wo warst du denn, Julius?“

Ich entgegnete: „Ich habe ein kleines Abenteuer hinter mir.“ Schnell schlüpfte ich in die Sportkleider und spielte mit den anderen Kindern Basketball. Wir hatten so viel Spaß, dass mir die neue Schule schon viel vertrauter erschien.

Wenige Tage später folgte die Schließung der Schule, aber ich nahm mir fest vor, zum Schulstart die Bildnisse an der Brüstung genauer zu mustern. Denn neben dem Ziegenbock gab es noch viele interessante Gestalten und bestimmt warteten noch weitere Abenteuer auf mich.

Text 3: Ida Scheidig

 Ich stehe am Haupteingang des Wirtemberg-Gymnasiums. Vor mir betrachte ich eine große hölzerne Flügeltür und links daneben eine hellgraue Wand aus Stein.

In diese Steinwand links neben der Tür ist ein Mädchen in einen schmalen Bogen eingemeißelt. Vor dem Kind steht eine kleine Ziege, die von dem Kind gefüttert wird. Rechts daneben steht die rechteckige Tür, deren oberer Bogen aus hellem Glas besteht und die mit vielen nebeneinander liegenden Holzlatten gebaut wurde. Der Bogen ist in der Mitte durch einen senkrecht liegenden Holzbalken getrennt. Auf der rechten der (nebeneinander liegenden) hellbraunen Holztüren klebt in der Mitte der Tür ein weißes Schild aus Papier mit schwarzer Schrift darauf. Gleich darunter ist eine silberne Türklinke zu sehen. Hier kommt das Licht von oben. Der Anblick ist teilweise von kleinen Schatten gefleckt.

Es wirkt fröhlich, weil das Wetter sehr schön ist und die Sonne scheint. Außerdem macht die Tür einen einladenden Eindruck.

Doch auf einmal bricht aus der harmlos wirkenden Tür ein Wesen hervor, das noch nie jemand auf dieser Erde gesehen hat – es hat lange, wilde, blaue Haare, mehrere winzige kleine Augen und einen sehr großen Schnurrbart. Unter seinem breiten Kopf befinden sich ein langer dürrer Hals und ein sehr dicker Bauch. Daran hängen kurze wischmoppartige Arme. Es hat lange Beine und breite Turnschuhe. Es trägt ein knallig pinkes T-Shirt und eine bis zu den Knien reichende schwarze Fußballhose. Auf dem Kopf trägt es einen hellbraunen Strohhut mit einem roten Band als Schleife. Es macht den Eindruck, als käme es von einem anderen Planeten. Es schaut mich an und spricht Worte, die ich nicht verstehe. Die Tür öffnet sich langsam nochmals; heraus kommt eine ganze Welle kleiner blauer Wichtel, die schrill kichern und grinsen. Ihre hervorstehenden Augen beäugen das Wesen. Sofort versteinern sich ihre Gesichter – sie haben Angst. Langsam weichen sie zurück und versuchen jetzt durch die Tür wieder zu verschwinden. Doch sie ist von innen verschlossen. Das Wesen spricht auf Deutsch: „Diese Tiere haben Angst vor mir.“ Es schaut mich an. „Warum bloß?“

„Ja, warum auch?“, denke ich. „Es sieht ja auch nicht gerade harmlos aus…“

Plötzlich fängt das Wesen an zu schluchzen und jammert: „Ich weiß, was du denkst. Alle halten mich für gruselig und grausam, dabei bin ich doch nur ein Eroloti.“

„Ein was?“, frage ich, wobei ich mir sicher bin, dass ich mich verhört habe.

„Ein Eroloti“, antwortet das Wesen. „Wir kommen von dem Planeten Exotia, schon mal davon gehört?“

„Nein“, antworte ich mit fragendem Gesicht.

Das Wesen erklärt: „Exotia ist weit weg von hier und es ist etwas kleiner als dieser Planet, aber viel schöner. Hier gibt es zwar auch große Wälder und weite Meere, aber unser Planet ist wesentlich schöner.“

„Das kann ich mir vorstellen“, antworte ich. „Und diese Wichtel leben auch auf deinem Planeten?“

Das Wesen meint: „Ja, bei uns leben ganze Schwärme davon. Sie sind manchmal ein bisschen nervig, aber im Grunde ganz nett. Wichtel, was ist eigentlich los? Ich tue euch doch nichts.“

Die Wichtel schauen ihn immer noch verängstigt an und einer fragt: „Bist du nicht Rudy?“

„Nein, ich bin nicht Rudy, ich weiß, ich sehe ihm ähnlich, aber ich bin lange nicht so gefährlich.“

„Rudy?“, frage ich.

„Ja, Rudy, der Schrecken aller Schrecken, das Monster aller Monster. Alle auf Exotia fürchten ihn.“

„Warum ist er so schrecklich?“

„Er klaut den Tieren die Eier und wenn er so weiter macht, stirbt der Planet bald aus. Das ist auch der Grund, warum ich hier bin. Man sagte mir, dass es hier auf diesem Planeten und nur in dieser Stadt ein bestimmtes Getränk gibt. Hast du eine Idee, was das sein könnte?“

„Nein – ich weiß nicht, was für ein Getränk du meinst.“

„Es soll schwer verdaulich sein und vielleicht kommt es aus einem Fluss.“

„Du meinst doch nicht den Neckar?“

„Doch, das ist es! Es ist das Wasser des Neckars. Das ist giftig für Tiere wie mich, deswegen brauche ich etwas davon, um es irgendwie zu Rudys Eiern zu schmuggeln.“

„Dann müssen wir es holen. Wie heißt du eigentlich?“, werfe ich ein.

„Muuöööörp.“

„Was?“

„Muuöööörp. So heiße ich bei uns. Ich schätze, dass du das nicht aussprechen kannst, also nenn mich einfach Bob.“

„Also, Bob, und wie bist du hierher gekommen?“, fragte ich.

„Ach ja, natürlich, das habe ich ganz vergessen. Ich bin mit einem Drachen hierher gekommen, warum nicht? Ich hätte natürlich den Besen nehmen können, aber das hätte zu lange gedauert…“

Mir kippt die Kinnlade herunter. „Und wo ist dein Drache?“

„Ach, ich habe ihn da reingebracht“, sagt Bob und zeigt mit einem sehr langen Finger hinter sich Richtung Tür. „Ich hoffe, dass das richtig war, er hat nun mal Hunger.“

„Waaaaas?“, frage ich entgeistert. „Was frisst denn dieser Drache?“

„Och, nur ein paar Bäume im Hinterhof.“

Ich bin drauf und dran ohnmächtig umzufallen. „Ihr müsst sofort verschwinden, wenn das die anderen herauskriegen, bekommt ihr ernsthafte Probleme! Der Polizei wird es nicht gefallen, wenn ein Drache hier frei herumläuft. Wahrscheinlich stecken sie euch dann in den Zoo!“

„Was ist ein Zoo?“

„Nicht so wichtig, ihr müsst verschwinden!“

„Aber wo sollen wir hingehen? Die Menschen hier merken doch, wenn ein Drache über ihr Haus fliegt, oder?“

„Du hast Recht, das wäre ungünstig“, antworte ich. „Ich weiß etwas, kommt mit! Aber wie kriegen wir einen Drachen unter Kontrolle?“

„Dieser Drache ist lieb“, bemerkt Bob. „Ich kann ihn führen.“

„Also schnell“, rufe ich und laufe los.

„Stopp“, ruft Bob, als ich schon fast bei dem Eingangstor bin. „Was wird aus den Wichteln?“

„Die nehmen wir mit“, sage ich.

Also schnappt Bob einen nach dem anderen, steckt sie in eine große Tasche und kommt hinter mir her. Wir rennen in den Hof und mir gefriert der Atem; der Drache ist etwas so groß wie ein kleines Wohnhaus und schaut Bob erwartungsvoll an. Mit seiner langen Zunge schleckt er sich über die Lippen und versucht Männchen zu machen. Schnell ist sein Kopf in der Höhe eines Wolkenkratzers. Bob schnappt sich eine lange Leine und führt ihn aus dem Schulgelände heraus. Zuerst rennen wir zu einer abgelegenen Stelle am Neckar und Bob nimmt sich Wasser in einem Beutel mit. Dann laufen wir auf unbefahrenen Wegen entlang, doch trotzdem ist es schwierig einen fünf Meter hohen Drachen unerkannt durch die Stadt zu schmuggeln. Aber endlich sind wir am Ziel: dem Gelände hinter dem Zoo. Ich empfehle Bob, mit dem Drachen auf einen kleinen nahegelegenen Hügel zu gehen und von dort aus loszufliegen.

„Passt auf euch auf und beeilt euch!“

„Keine Sorge“, sagt Bob. „Wir freuen uns, dich kennengelernt zu haben.“

„Das freut mich auch.“ Plötzlich hören wir die Sirenen von Polizeiautos und ich sage: „Na los, geht schon!“

„Bis bald, und vielen Dank für alles“, höre ich ihn noch sagen, bevor er zu dem Hügel läuft und auf den Drachen klettert, mit den Wichteln in der Hand. „Jaaaaaahuuuuuu“, schreit er, als sich der Drache in die Luft erhebt. Er winkt mir zu und verschwindet in der Abenddämmerung. Polizisten kommen zu mir gerannt und keuchen: „Hast du ein großes Tier hier frei herumlaufen sehen? Das haben nämlich einige Anwohner gesagt.“

„Was, so etwas wie ein Drache? So etwas gibt es doch gar nicht“, meine ich und lächle.

Text 4: Luise Kuschke, 7d

Ein Gott am Wiggy!

Zurzeit befinden wir uns in einer weltweiten Krise, welche extreme Maßnahmen erfordert. Kein guter Zeitpunkt für Zeitreisen – oder? Tja, leider haben das die Leute aus längst vergangener Geschichte nicht ganz verstanden. Dementsprechend war Pan, der griechische Hirtengott, am 26. März 2020 in der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg angekommen, sehr überrascht. Überall in Stuttgart waren die Geschäfte zu. So gut wie keine der in dieser Zeit sehr beliebten, alleinfahrenden Kutschen war auf den Straßen zu sehen – von menschlichen Lebewesen ganz zu schweigen. Pan wunderte sich ein wenig, machte sich aber keine weiteren Gedanken darüber. Er war ja mit König Wilhelm II. verabredet. Jetzt musste er nur noch zu diesem sogenannten Gymnasium finden, wo das Treffen mit ihrer Majestät stattfand. Es hieß „Wirtemberg-Gymnasium“ und lag im Stadtteil Untertürkheim. Pan flog auf einer watteweichen Wolke (übliches Reisegefährt eines griechischen Gottes) über die Stadt hin zu besagter Schule. Bevor ich fortfahre, werde ich euch aber noch über die Umstände der Zeitreise des Gottes Pan, ebenso wie die des König Wilhelm II., gänzlich aufklären.

Eine durchaus berechtigte Frage, die, wieso Wilhelm ausgerechnet ins Jahr 2020 beziehungsweise den 26. März 2020, wollte, sollte ich aber vielleicht im Voraus doch noch beantworten: Der 26. März war König Wilhelms Geburtstag und 20 plus 20 ergibt wie ihr wisst 40, so alt ist Wilhelm hier.

Pan war aus seiner Zeit, mithilfe seiner übernatürlichen Kräfte, vor dem König Makedoniens, geflohen. Karanos – dies ist der Name von besagtem König – war ein brutaler und korrupter Herrscher, der zusammen mit Alexander dem Großen riesige Gebiete eroberte und tausende Menschen grundlos niedermetzelte. Ebendieser war hinter Pan her! Denn der Hirtengott war im Besitz des Orakels der Götter, welches enorme Weisheiten besitzt. Karanos wollte das Orakel für seine Eroberungen missbrauchen und mit ihm auch die Götterwelt auslöschen. Nun war Pan jedoch mit samt dem Orakel in die Zukunft des Jahres 2020 gereist, um sich dort mit dem König von Württemberg zu treffen. Sie hatten sich bei einer früheren Zeitreise kennengelernt. Da der König bereits einen Anschlag auf seiner selbst durch einen Attentäter, vermutlich aus seinen eigenen Reihen, erlebt hatte, willigte er auf die Bitte Pans ein, welcher ein Treffen in der Zukunft anfragte.

Jetzt fragt ihr euch sicher, wie ein normal Sterblicher das Zeitreisen beherrschen kann. Nun, das ist eigentlich gar nicht so kompliziert! Die Öffentlichkeit erfährt schließlich nicht alles über Berühmtheiten. Das bedeutet, sie wussten auch nichts von der geheimen, sehr modernen Zeitreisemaschine König Wilhelms, mit deren Hilfe er die Reisen, aber auch direkten Kontakt mit Persönlichkeiten aus Vergangenheit und Zukunft aufnehmen konnte. Wie es dazu kam, ja, das soll an anderer Stelle erzählt werden. So, jetzt aber zurück zu unserem Hirtengott, der

inzwischen im „Wiggy“, genauer gesagt am Eingang auf der Seite mit dem Containern, angekommen war. Kurz darauf kam auch König Wilhelm II. an, nach einem grell lila-grünen Lichtblitz stand er plötzlich da, nervös auf seiner Unterlippe kauend und im roten Samtmantel. Beide begrüßten sich ehrfürchtig und verbeugten sich voreinander. Da sie alte ,,Bekannte“ waren, gab der Hirtengott ein kleines Konzert auf seiner Panflöte, welche sein ganzer Stolz war. Ein historisches Ereignis!

Die Zeit war knapp. Die beiden mussten dringend Pläne für ihr Untertauchen, Verstecken, Verschwinden – wie auch immer man es nennen will – schmieden. Doch bevor sie anfangen konnten, sich etwas auszudenken, brachte sich seltsamerweise das Orakel ein. Das Orakel, müsst ihr wissen, ist normalerweise sehr still und bringt sich nur ein, wenn es absolut von Nöten ist. Folgendes sang (ja, das Orakel singt seine Antworten mit einer weibliche Stimme. Die Stimme eines Engels!) es: „Ein

viertel Jahrhundert das klingt hart, drum sag ich 25 das ist smart.“ Nach vier Stunden Diskussion und Beratung waren sie auf einen wirklich guten Plan gestoßen. Auch wenn sie nicht besonders schlau aus dem Orakel wurden. Es hatte einen seltsamen Kauderwelsch gesungen, wahrscheinlich die Sprache im Jahr 2020. Pan jedoch wusste, dass das Orakel gern auch mal Verwirrung ausbreitete. Trotzdem googelten sie diesen Satz und kamen so nach und nach zur Erkenntnis, dass sie am Besten die Sprache der neuen Welt oder Zukunft lernen sollten. Genau das taten sie dann auch. Es sah lächerlich, aber auch witzig aus, zwei bekannte Figuren der Vergangenheit, in altertümlicher Kleidung, die Sprache der jungen Leute des 21. Jahrhunderts sprechen zu sehen. Jetzt konnten sie die Sprache, mussten aber den Plan noch in die Tat umsetzen.

Pan und Wilhelm – sie duzten sich inzwischen – legten gleich los mit der Umsetzung ihres Plans in die Wirklichkeit. Zuerst setzten sie Wilhelms Idee um. Für ihn blieben nicht viele Möglichkeiten übrig, um vor dem Attentäter verborgen zu bleiben. Sie nahmen also eine ziemlich simpel: König Wilhelm II. sollte in das Jahr 2050 reisen, um so dem Attentäter rasch zu entkommen und sich auch nicht mit dem Coronavirus zu infizieren. Sie hatten sich gründlich über die Umstände und die Gefahr des Virus informiert und hofften, dass man es in der Zukunft nicht weiter beachten müsse, die Hygieneregeln versuchten sie aber höflicherweise trotzdem einzuhalten. Woher sie von dem Virus wussten? Natürlich gehört zur Recherche über eine fremde Zeit auch das Begutachten der Zeit entsprechenden Nachrichten. Im Jahr 2020 sind das vor allem das Internet, aber auch das Fernsehen und dort wurde eine Menge über das Coronavirus berichtet. Sie versuchten also ihr Glück im Computerraum und nach einer Weile schafften sie es, die Tagesschau auf YouTube zu schauen. Nun bereitete sich der König auf die Reise vor. Die Details seiner Vorbereitung erspare ich euch, schließlich müssen wir vorsichtig sein mit unserem Wissen, sonst passiert noch etwas…

Wilhelm verschwand zehn Minuten später, wieder mit einem lila-grünen Blitz, in die Zeit hinein. Nun war es an Pan, seinen Teil des Plans in die Tat umzusetzen. Er war zu dem Entschluss gekommen, dass es am Sichersten sei, sich und das Orakel (Das Orakel war in seinen Hörnern versteckt) in das metallische Treppengeländer der großen Treppe, hier im „Wiggy“ als Ziegenfigur oder Ziegenbild einzulassen. So würde Karanos ihn niemals finden, selbst mit aller Macht nicht, die er besaß!

Gesagt, getan! Schon war Pan verschwunden, mit einem ohrenbetäubenden Knall versteht sich, und als Ziegenbock im Treppengeländer wieder aufgetaucht. Keine Sekunde zu spät. Kurz darauf sah man lila-grünes Licht durch die große Eingangstür aufblitzen. Karanos war da! Die Tür öffnete sich und wie von Zauberhand war plötzlich ein dunkelroter Samtteppich auf den Treppenstufen ausgebreitet. Karanos und seine Wachen schritten hinauf und durchsuchten die ganze Schule, fanden den Hirtengott Pan und das Orakel aber nicht. Fluchend und mit hochrotem Kopf entschwanden sie Stunden später zurück in ihre Zeit – ohne Pan.

Der Hirtengott blieb daraufhin für immer in der Schule und König Wilhelm fühlte sich wohl im Jahr 2050, fast wie zuhause. Pan erfreute sich außerdem an der jetzigen Ruhe wegen der Coronakrise! Beide waren zufrieden! Sie wurden nie von ihren Feinden gefunden. Das Orakel spukt seitdem durch Deutschland und sucht sich geistig und intellektuell fähige Personen aus, um seine Weisheiten zu verbreiten.

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