BACK TO SCHOOL – Fantastische Federreisen 9 – TEXTE über Anfang, Neustart und Wiederbeginn
Kurz vor Ende der zweiten Schuljahresetappe präsentiert die Deutschfachschaft voller Stolz drei Texte, über einen „Anfang, Neustart oder Wiederbeginn“, der sich beim Überqueren einer Startlinie im Schulhaus ereignet.
Vielen Dank allen Teilnehmerinnen, den Freiwilligen auf den Fotos und Jessica Wald für die fantastischen Illustrationen (jessicawald.de).
Viel Freude beim Lesen! wünscht euer Federreiseteam Britta Franke und Leni Rothe
Text 1: Helene Kratzer. 5a – Die coole Corona-Maske
Lisa schlenderte den noch leeren Gang ihrer neuen Schule entlang. In der Mitte des Ganges war ein schwarzgelber Streifen. Das war wegen Corona, aber es sah aus wie so ein Band, mit dem in Krimis der Unfallort gesperrt wird. Sie hatte Angst. Die letzten Tage waren die Hölle gewesen. Zwei ihrer Mitschülerinnen hatten sie immer geärgert. Lisa fühlte, wie der Drahtbügel ihrer Coronamaske die Haut quetschte. Es war eine besondere Maske. Rosa Einhörner waren darauf gedruckt. Die Maske hatte ihre Oma mitgegeben. „Du wirst sehen“, hatte Oma gesagt, „mit dieser Maske wird alles leichter.“ Lisa murmelte: „Das ist doch nur Unsinn. Mit diesem bescheuerten Einhorn-Muster auf der Maske ärgern die mich doch noch mehr.“ In diesem Moment kamen auch schon die beiden Mädchen, die sie gehänselt hatten, auf den Flur. Sie spotteten: „Du bist ja total peinlich! Geh doch zurück in die Grundschule mit deinen kindischen Einhörnern auf der Maske.“ Da rief Lisa: „Ich würde echt gerne in eine erste Klasse zurück. Da sind sie klüger als ihr!“ Was war denn das gewesen? Lisa wunderte sich über sich selbst. So schlagfertig war sie sonst nicht. Die beiden Mädchen blickten sich verdutzt an. Lisa ging ins Klassenzimmer und setzte sich schweigend auf ihren Stuhl, während die beiden Mädchen hinter ihr herriefen: „Warte nur! Das gibt Rache!“ „Ihr und Rache? Dass ich nicht lache!“, dichtete Lisa als Antwort. Woher hatte Lisa den plötzlich diese Schlagfertigkeit? Ihre Gedanken rasten. Sollte das etwas mit Omas Maske zu tun haben? Lisa war sich ganz sicher. Die anderen Kinder der Klasse lachten und zeigten Lisa Daumen nach oben. Lisa lächelte stolz hinter ihrer Maske, denn sie erkannte, dass der Rest der Klasse auf ihrer Seite war. Die anderen Kinder hatten sich bisher nur nicht getraut, das zu sagen. Plötzlich machte es „ZING“. Beide Bändel der Einhornmaske rissen. Sie fiel herunter. Sie bückte sich, um die Maske zu holen. Doch da kamen die beiden Mädchen und klauten ihr die Maske vor der Nase weg. „Du hast doch sicher nichts dagegen, dass wir dieses hässliche Ding in den Mülleimer befördern?“ fragte das eine Mädchen. Das andere stopfte die Maske in den Mülleimer. Da lag sie nun zwischen verrotzten Taschentüchern und schmierigem Butterbrotpapier. Lisas Gedanken rasten. „Ohne diese Maske bin ich verloren!“, dachte sie. Sie war überzeugt, dass ihr neuer Mut nur an der Maske von Oma lag. Die musste magisch sein. Doch da hörte sie selbst sich plötzlich sagen: „Hauptsache, ihr behaltet eure Masken noch lange auf. Dann müssen wir nämlich eure dummen Gesichter nicht ganz sehen.“ Die Klasse johlte laut auf. Die beiden Mädchen verzogen sich verschämt auf ihren Platz. Lisa freute sich. Sie zog sich eine ganz normale Ersatzmaske auf. Sie wusste nun, dass sie auch ohne die Maske der Oma schlagfertig sein konnte.
Text 2: Lorin Polat, 5d – Der fabelhafte Neuanfang
Alles begann an einem regnerischen Freitagabend im September. Wie immer setzte sich Familie Schneider an den runden Tisch im Wohnzimmer und machte ihre wöchentliche Familiensitzung. Eigentlich redeten sie immer über die Arbeit und die Schule. Doch heute lief es ganz anders. Die Eltern setzten sich mit bedrückter Miene an den Tisch und die Kinder ahnten dabei nichts Gutes. „Also… Kinder wir …ähm…Wir werden umziehen. Aber das neue Haus ist wunderschön. Jeder hat ein eigenes Zimmer“, vollendete der Vater den Satz. Lisa kreischte: „Endlich ein eigenes Zimmer! Danke Papi.“ Ida hingegen saß still auf ihrem Stuhl und war wie vom Donner gerührt. Nach einer Weile brüllte sie: „Wie könnt ihr so etwas machen? Ich habe gerade erst neue Freundschaften geknüpft!“ und rannte in das Zimmer, welches sie mit ihrer Schwester teilte. Sie legte sich auf ihr himmelblaues Bett und weinte stundenlang stumm vor sich hin. Plötzlich spürte sie eine wärmende Hand auf ihrer Schulter. Es war ihre Mutter und sie sagte mit ihrer zärtlichen Stimme: „Du bist wegen deinen Freundinnen traurig. Habe ich Recht?“ „Ich hatte die besten Freundinnen hier. Und jetzt !?!Ich möchte keinen neuen Anfang!“, ein Hauch Verzweiflung war aus Idas Stimme herauszuhören. „Wann ziehen wir um?“, fragte sie. „Schon morgen“, antwortete ihre Mutter. Ida erstarrte und dachte: „Ich kann mich nicht mal von meinen Freundinnen verabschieden.“ Sie hatte ein sehr mulmiges Gefühl im Bauch und konnte eine weitere Weinattacke schwer unterdrücken.
„Komm wir packen unsere Koffer gemeinsam!“, rief Frau Schneider ihrer Tochter aufmunternd zu. Also blieb Ida nichts anderes übrig, als ihre Koffer zu packen. Als Ida fertig war legte sie sich erschöpft in ihr Bett und starrte eine halbe Ewigkeit an ihre Decke, die mit leuchtenden Sternen übersät war. Dann schlief sie ein.
Am nächsten Tag gab es ein heftiges Erdbeben, zumindest dachte Ida das, bevor sie ihre Augen öffnete. In Wirklichkeit war das Lisa, die sie am frühen Morgen weckte: „Los raus aus den Federn, wir sitzen schon alle am Frühstückstisch und warten auf dich!“ Ida stand widerwillig auf und machte sich frühstücksbereit. Nachdem alle mindestens ein Marmeladenbrot gegessen hatten, luden sie die Koffer ins Auto und fuhren anschließend los.
Nach 2 Stunden waren sie angekommen. Das Haus, in dem sie leben sollten, sah vielversprechend, groß und hell aus. Ida trottete dennoch missmutig in ihr neues Zimmer und packte ihren Koffer aus. Sie machte es sich einigermaßen gemütlich und ging in die Küche. „Mama, wie heißt meine neue Schule?“, fragte Ida. Daraufhin antwortete ihre Mutter: „Du wirst aufs Wirtemberg-Gymnasium gehen. Ich habe gehört, dass diese Schule der Traum jedes Kind ist! Lass uns jetzt am besten Schulsachen kaufen gehen.“
Am nächsten Morgen saß die Familie Schneider am Tisch und frühstückte. Anschließend zogen Lisa und Ida ihre Jacken an, verabschiedeten sich von ihren Eltern und machten sich auf den Weg zur neuen Schule. Ida machte sich Gedanken, wie sie sich der Klasse am besten vorstellen und den neuen Anfang am besten meistern könnte. Ida war in der 5d und Lisa in der 5a. Beide trennten sich und gingen zu ihrem Klassenzimmer. Idas Herz pochte immer schneller und sie dachte, dass ihr Herz vor Aufregung explodierte. Endlich war sie angekommen, sie klopfte an die Tür und eine schwungvolle Lehrerin öffnete die Tür: „Hallo! Du musst wohl Ida Schneider sein. Willkommen am Wiggy! Setze dich dorthin, wo du möchtest. Ich bin Frau Merk, deine Deutschlehrerin.“ Durch die schnelle Begrüßung musste sie sich der Klasse nicht mehr vorstellen und Idas Aufregung löste sich etwas.
Die restliche Deutschunterrichtszeit verging wie im Flug. Ida mochte Frau Merk und man konnte merken, dass sie dies erwiderte. Als es zu Pause läutete, erschrak Ida. Sie wollte nicht, dass diese Stunde endete.
Doch Idas Wunsch wurde leider nicht erfüllt. Sie stand widerstrebend und ging in den ersten Stock des Altbaus, um sich Wertmarken für das Mittagessen zu kaufen. Bedrückende Stille umgab sie. Gänsehaut kroch ihren Rücken empor und sie dachte, sie hätte sich verlaufen. Trotz ihres Kribbelns in ihrem Bauch, lief sie mit mutigen Schritten weiter. Plötzlich hörte sie ein unheimliches Geräusch und vor ihr standen viele bunte Fabelwesen und flüsterten aufgeregt durcheinander. Auf einmal hörte sie ein Räuspern und es wurde wieder leise: „Hallo Ida! Ich bin der König der Fabelwesen. Unsere Aufgabe ist es, Kindern zu helfen, die neu auf dieser Schule sind. Deinen Beschützer habe ich höchstpersönlich ausgesucht. Er heißt Reinecke der Fuchs.“ „Hallo, ich bin Reinecke! Ich werde dir helfen damit du dich hier an der Schule zurecht findest“, sagte der rot-bräunliche Fuchs. „Hallo Reinecke, ich bin Ida. Ich kenne dich aus Fabeln, die ich gelesen habe. Du bist in unserer Welt sehr beliebt!“, sagte Ida etwas schüchtern. „Also, wo wolltest du eigentlich hin?“, fragte Reinecke. Daraufhin antwortete Ida: „Ich wollte eigentlich ins Sekretariat, um mir Wertmarken zu kaufen. Aber ich weiß nicht wo das…“Bevor Ida ihren Satz aussprechen konnte, sagte der Fuchs ungeduldig: „Folge mir!“
Nachdem Ida ihre Wertmarken hatte, ging sie wieder in die Pause und von dort aus ins Klassenzimmer zurück. Als nächstes hatte sie Englisch. Reinecke musste sich die gesamte Schulzeit in Idas Schultaschen verstecken, denn ansonsten würde das Gleichgewicht zwischen Menschen und Fabelwesen aus der Balance geraten.
Als sie zuhause waren, gab es Hühnchen zum Mittagessen. Reinecke saß unter dem Esstisch und manchmal tat Ida so, als würde ihr Besteck herunterfallen, beugte sich hinunter und gab Reinecke etwas Essen ab.
So verliefen weitere 2 Wochen. Eines Dienstags passierte es! „Liebe 5d, wir werden morgen einen Test in Mathe schreiben. Es wird der gesamte Lerninhalt der vergangenen 2 Wochen abgefragt, insbesondere das „Große Einmaleins“, sagte die Lehrerin zufrieden. Ida war schockiert, denn sie war noch nie gut in Mathe.
Am Nachmittag teilte Ida ihre Sorgen mit Reinecke, der den gesamten Schultag lang in Idas Schultasche geschlafen hat. Dieser war sofort bereit mir ihr gemeinsam zu lernen. „Reinecke, aber ich habe keine Lust zu lernen. Viel lieber möchte ich mit dir spielen!“, entgegnete Ida unmotiviert. „Aber wir könnten doch sowohl lernen als auch spielen!“, jubelte Reinecke. Ida schaute erstaunt zu ihm herüber: „Und wie stellst du dir das vor?“ „Wirf mir mal den Ball in der Ecke zu!“, antwortete der Fuchs aufmunternd. „Hier!“, rief Ida. „Was ist 11×4?“, fragte Reinecke und warf ihr den Ball zu. „44, und 15×2?“, rief Ida die den Sinn des Spiels verstand. „30! Was ist 12×3?“, stellte Reinecke die nächste Rechenaufgabe. Ida knobelte und schrie im nächsten Moment: „36!!!“ Mit Hilfe des Spiels hatte Ida Freude am Lernen und konnte sich die Rechenaufgaben besser einprägen. Ida und Reinecke verbrachten den restlichen Tag mit der amüsanten Art zu lernen. Am Abend schliefen sie beide glücklich und zufrieden ein.
Am nächsten Morgen wachten Ida und Reinecke auf. Sie waren schon jetzt auf den anstehenden Test neugierig und aufgeregt. Heute hatte Lisa zur zweiten Stunde Unterricht und somit waren Ida und Reinecke auf dem Schulweg alleine. Sie nutzen die Gelegenheit, um ein letztes Mal das „Große Einmaleins“ zu üben. Ida hatte bei der Abfrage keinen einzigen Fehler und war nun sehr gespannt auf den Test. Im Klassenzimmer angekommen, läutete es und alle Schüler nahmen ihren Platz ein.
Daraufhin kam die Lehrerin pünktlich ins Klassenzimmer und begrüßte alle. Anschließend begann sie mit dem Austeilen des Tests und bat die Schüler, ihren Namen und das Datum zu ergänzen. Nach dem Austeilen stoppte die Lehrerin die Zeit und alle fingen hektisch an zu rechnen. Nach einiger Zeit war Ida fertig und gab als Erste ihren Test ab. Die Lehrerin war von der schnellen Testabgabe äußerst verwundert und erstaunt. Ida setzte sich erleichtert auf ihren Sitzplatz zurück und vertrieb sich die restliche Testzeit mit Malen.
Nach der letzten Stunde lief Ida seit langem wieder mit guter Laune und Zufriedenheit nach Hause. Nachdem sie ankam und die Treppen zu ihrem Zimmer hochlief, hörte sie wieder ein unheimliches Geräusch. Dieses Geräusch kam ihr ziemlich bekannt vor und sie erinnerte sich daran, wie die bunten Fabelwesen damals plötzlich im Schulgang aufgetaucht waren. Ein schrecklicher Gedanke durchlief ihren Kopf. Als sie die Zimmertüre öffnete, stellte sie fest, dass sie mit ihrer Vermutung richtiggelegen hatte: Es standen alle bunten Fabelwesen in ihrem Zimmer. Ein Räuspern übertönte die aufgeregten Stimmen und einer der Fabeln sagte: „Liebe Ida, wir als Fabelwesen haben unsere Aufgabe erfolgreich erfüllt, dass du dich an deiner neuen Schule zurechtfindest und wohlfühlst. Deshalb ist die Zeit gekommen, dich allmählich von Reinecke zu verabschieden.“ Ida kullerten die Tränen über die Wangen und Reinecke fing an zu wimmern. Sie umarmten sich noch ein letztes Mal. Die Fabelwesen erwiderten jedoch: „Reinecke wird dir dennoch bei Schwierigkeiten, die du nicht alleine meistern kannst, zur Seite stehen. Wir freuen uns dir mitteilen zu können, dass du in der vergangenen Zeit ein großes Maß an Mut und Selbstbewusstsein gewonnen hast. Auch den Test hast du hervorragend gemeistert und wir versichern dir, dass du eine sehr gute Note bekommen wirst. Die restliche Schulzeit wirst du ohne weitere Probleme überstehen.“ Die Fabelwesen verabschiedeten sich nun von Ida und verschwanden auf magischer Weise. Ida war bereit für ihre anstehende Schulzeit und freute sich auf das Wiedersehen mit Reinecke!
Text 3: Eyda Gökmen, J1 – Das schwarze Loch
Sie betritt das Schulgebäude. Es ist 07.30 Uhr und auf dem Gang ist es wie immer schon sehr laut. Vieles hat sich in der Schule über die Sommerferien nicht verändert. Aber Sie hat sich verändert.
Sie geht nicht gerne in die Schule, das war vor den Sommerferien nicht anderes. Nicht, weil sie nicht im Unterricht sitzen will. Nicht, weil Sie keine Klassenarbeiten schreiben möchte, sondern weil die Schule der Ort ist, an dem sie das Gefühl hatte, in ein tiefes, schwarzes Loch zu fallen und nicht mehr heraus zu kommen.
Dieses schwarze Loch packte sie an ihrem Selbstbewusstsein, an ihren Gefühlen und zog sie so tief, dass sie keinen Ausweg mehr sah. Sie schaute nach oben, versuchte jedes Mal, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen, die Hoffnung. Die Hoffnung, dass eines Tages alles gut wird und sie auch ein Happy End bekommt. Sie war schon immer anders als die anderen. Aber ist anders sein wirklich so schlimm? Diese Frage hat sie sich schon so oft gestellt. Jedes Mal, wenn jemand sie angeschaut und ausgelacht hat, wegen ihres Aussehens. Jedes Mal, wenn jemand witzig sein wollte und einen blöden Witz über sie riss, stellte Sie sich die Frage. Und jedes Mal lachten alle. Außer sie. Sie fiel, langsam aber sicher, in ihr Loch. Keiner merkte es. Keiner hörte die stillen Hilferufe in ihr und keiner sah die Tränen am Ende des Tages, wenn sie in ihrem Bett lag, und über alles nachdachte. Sie weinte nicht, weil sie zu schwach war, sie weinte, weil sie zu lange stark war. Sie sehnte sich nach fröhlichen Farben in ihrem Leben, denn jetzt war alles nur noch schwarz-weiß. Sie sehnte sich nach wahren Freunden.
Nachts schlief sie nicht nur, um am nächsten Tag nicht müde zu sein. Sie schlief, um aus der Realität zu fliehen.
Aber heute steht sie wieder in der Schule. Hat sich vorgenommen, dieses Jahr alles anders zu machen. Sie wird sich nicht mehr herunterziehen lassen. Von niemandem. Sie wird stark sein und sie wird nicht aufgeben. Sie wird es schaffen.