Wir gratulieren unseren Abiturienten!

Herzlichen Glückwunsch an

Youssef Abou Rajab, Jan Helge Bahr, Markus Barna, Vincent Bartels, Carsten Bauer, Timo Baumgartl, Simon Bayer, Silas Beck, Martin Becker, Colin Bitzer, Joshua Matthew Bocklet, Alisa Denise Böhme, Tim Bramigk, Jan Mathias Bubeck, Hannes Buchholz, Lisa Marie Bürkle, Dimitrios Cechagias, Adrian Dehn, Emir Demiri, Stella Demou, Dix Eisenbraun, Leon Fischer, Maximilian Freitag, Oliver Glock, Julian Hausch, Adrian Hausmann, Lena Hermann, Hagar-Hibatullah Idkhafif, Merve Irim, Niklas Philipp Kaiser, Julia Kerres, Jennifer Kilic, Daniel Koch, Antonia Kolb, Simon Kranitz, Matthias Krautter, Mareike Kruse, Tim Lutz, Dimitra Lyroudi, Peter Mayer, Stavros Michailidis, Bernd Müller, Marvin Pascal Müller, Moritz Munk, Julia Nagler, Daniel Oberascher, Nikoletta Ouroumi, David Outland, Sarah Papp, Isabell Pfeiffer, Katharina Pfeiffer, Benjamin Rama, Luisa Russo, Miralda Salaji, Sebastian Scheffel, Josef Schmidberger, Philip Kristian Schröpel, Tobias Steinbrück, Timo Werner, Felix Tobias Zaiß und Sophia Pauline Zeeb

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Die Rede von Schulleiter Martin Bizer anlässlich der Zeugnisausgabe am 03.06.2014:

Sehr geehrte Eltern, Großeltern und Familienangehörige, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste

vor allem aber: liebe Abiturientinnen und Abiturienten,

ich freue mich, dass ich Sie alle heute Abend bei uns im Atrium des Wirtemberg-Gymnasiums begrüßen darf, um das bestandene Abitur des Jahrgangs 2014 gebührend zu feiern.

Der Glückwunsch geht zuallererst an euch, an die Abiturienten unserer Schule. Ihr habt es geschafft und werdet in Bälde die Matura, die allgemeine Hochschulreife in Händen halten. Die Eintrittskarte für viele Ausbildungsbereiche im In- und Ausland. Neben dem Glückwunsch steht auch der Dank für euren Einsatz in der Schule: zum einen im Unterricht durch eure Mitarbeit, aber auch in außerunterrichtlichen Veranstaltungen, sei dies als Teilnehmer oder Leiter von Arbeitsgemeinschaften, bei der Mitwirkung in der SMV, bei SuS und im Cafe-Dienst oder bei Schulsportwettkämpfen im Rahmen von JtfO. Jeder kann etwas beitragen und viele haben das auch getan. Und der eine oder andere hat sich durch euer Vorbild anregen lassen, auch mitzumachen.

Mein Dank geht in dieser Stunde auch an sie Eltern. Sie haben es auch geschafft! Genießen Sie den Moment. Ohne die Unterstützung der Eltern tut sich jede Schule schwer den gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsauftrag umzusetzen. Sie haben sich bei Klassenpflegschaften, bei Schulveranstaltungen, beim Kochen in der Cafeteria, bei Kuchenspenden in die Schulgemeinschaft eingebracht und dadurch das Schulleben bereichert.

Auch den Lehrkräften, dem Sekretariat und den Hausmeistern möchte ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen. Was hier geleistet wird, geht weit über die normale Pflichterfüllung hinaus. Ich denke, das habt ihr alle in der einen oder anderen Form erfahren dürfen und dafür spreche ich in eurem und in meinem Namen diesen Dank heute aus.

Mit dem Abitur geht die manchmal verhasste, später romantisierte Schulzeit zu Ende. Der Klassenverband wird ersetzt durch Vorlesungssäle, der enge Kontakt zu den Lehrkräften macht einem distanzierten, manchmal anonymen Verhältnis zu Dozenten und Assistenten Platz. Auch für diejenigen, die jetzt nicht sofort die Schulbank mit dem Vorlesungssaal tauschen, bringt die nächste Zeit gravierende Veränderungen. Der tägliche Rhythmus kommt außer Tritt, die Routine mit Schule, Wochenende, Ferienabschnitt macht einem selbst gestalteten Leben Platz. Das ist manchmal gar nicht so einfach und stellt euch auf eine harte Probe. Von den Eltern will ich an dieser Stelle gar nicht reden, denn die werden manchmal auf eine mindestens genauso harte Probe gestellt, wenn sie mit ansehen müssen, wie die Kinder auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sind. Auch wird ganz schnell klar, dass sich nicht alles, was man sich vornimmt, realisieren lässt. Der work and travel Aufenthalt in Australien kann schnell zu einem Alptraum werden, das gewünschte Studienfach ist mit einem unerreichbaren Numerus Clausus belegt, die angestrebte Ausbildung bleibt einem verwehrt, weil man nicht die entsprechenden Hauptfachnoten hat oder der bevorzugte Studienort ist nicht verfügbar, weil er eben auch für andere Abiturienten sehr attraktiv ist. Alles oder vieles wird im Fluss sein, das kann ich Ihnen und euch versprechen.

Es ist guter Brauch an diesem Tag die Statistik zu bemühen. Mit 69 Schülerinnen und Schülern zu Beginn der Stufe K 2 haben wir einen eher kleinen Abiturjahrgang zu verzeichnen. Von diesen 69 traten dann 68 das Abitur an. Leider, leider muss ich an dieser Stelle konstatieren, dass 7 Mitschüler von euch das Abitur nicht bestanden haben. Prozentual sind das mehr als 10% des gesamten Abiturjahrgangs. So etwas gab es noch nie in der jüngeren Vergangenheit. Ich bin geschockt und kann nicht so ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen. Damit kein Missverständnis aufkommt: das Nicht-Bestehen des Abiturs ist kein singulärer Akt, sondern der gründet in mancherlei Versäumnissen in der Vergangenheit und kommt deshalb auch in den meisten Fällen nicht ganz überraschend. Das ist auch der Ansatzpunkt für meine nun folgenden Überlegungen zu diesem Thema. Ich frage mich, wie können es junge Menschen, die schon Auto fahren und wählen dürfen, wie können es diese jungen Menschen schaffen, eine selbst zu gestaltende Präsentationsprüfung so in den Sand zu setzen, dass die Prüfung, dass das Abitur nicht bestanden wird. Wurden Sie nicht richtig vorbereitet? Haben sie sich nicht richtig vorbereitet? Waren wir in den letzten zwei Jahren zu nachsichtig? Hätten wir als Schule, als Lehrer an mancher Stelle konsequenter agieren müssen? Ist die Erziehung zu eigenverantwortlichem Handeln ein zu hehres Ziel und letztlich für einen Teil der Schülerschaft gar nicht erreichbar?

Um dies beurteilen zu können, ist es vielleicht hilfreich sich zu verdeutlichen, was mit Bildung gemeint ist. Hierzu ein Zitat von dem renommierten Erziehungswissenschaftler und Pädagogen Hartmut von Hentig (23.9.1929):

„Unter Bildung verstehe ich den notwendigen und wünschenswerten Vorgang, im Laufe dessen wir erstens unsere Anlagen, also unsere Person, entfalten, zweitens taugliche Bürger werden und drittens an unserer historischen Lebensform, also unserer Kultur, teilhaben als deren erfreute Nutzer und erfreuliche Fortzeuger und Kritiker.“

Es geht laut von Hentig in einem ersten Schritt um die Entfaltung unserer Persönlichkeit, also um die Entwicklung der Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die in uns schlummern, die entdeckt und gefördert sein wollen. Dieser Bereich wird von dem Unterricht im klassischen Sinne abgedeckt. Den Kindern und Jugendlichen wird Neues altersgemäß aufbereitet und vermittelt. So lernt man neue Sprachen, erkennt Gesetzmäßigkeiten in der Grammatik oder auch in den Naturwissenschaften, man entfaltet künstlerische und kreative Fähigkeiten und man muss üben, viel üben. Dies wird heutzutage leider viel zu gering geschätzt. Der abwechslungsreichste Unterricht und die kreativste Methodenvielfalt können das Üben nicht ersetzen, höchstens erträglich machen, manchmal sogar lustvoll erlebbar lassen. Nicht umsonst sagt Malcolm Gladwell über Genies und Hochbegabte: „Genie ist nur zu einem Prozent Inspiration, zu 99 Prozent Transpiration“. Die Kunst der Pädagogik, der Lehrkräfte besteht also darin, den häufig ungewohnten und als lästig empfundenen Übungsprozess so zu gestalten, dass er eben nicht als lästig empfunden wird. Dies geht allerdings nicht ohne aktive Beteiligung des Schülers. Ein Feuer sollte im Schüler entfacht werden, das dann von alleine brennt. Die so geschaffene Neugierde und Motivation sind dann Triebfeder für das Üben. Wir kennen das ja aus der Entwicklungspsychologie des Menschen: warum und wie lernen Kinder laufen, reden oder die Hand zum Mund führen? Das alles sind endlos lange Lernprozesse, die anfangs immer wieder in Frustration enden. Hört deshalb ein Kind auf gehen zu wollen? Nein! Es will nachmachen, imitieren und so sein wie die Eltern. Das ist Motivation genug für den stumpfsinnigen Prozess des Übens. Motivation alleine genügt allerdings auch nicht. Es müssen die körperlichen Voraussetzungen geschaffen werden in Form von Muskeln, von Gelenkstabilität, die das Üben letztendlich zum Ziel kommen lassen. Die Analogie sticht hoffentlich ins Auge. Beim Lernen ist es doch genauso. Ohne gedankliche, intellektuelle Struktur ist vieles Lernen folgenlos oder additiv. Dann ist es eben auswendig gelernt. Richtig lernen heißt eben auch, dass durch den Prozess des konkreten Lernens allgemeine Kognitionsprozesse eingeleitet werden, die das Lernen nachhaltig machen. Und wer nun mal wenig übt, bei dem sind diese Prozesse auch nicht so ausgeprägt. Das muss ich nicht nur den Hochleistungssportlern oder Musikern unter uns sagen. Wie viele Bahnen muss ein Schwimmer zurücklegen, um sein Ziel zu erreichen? Wie viele Sprints muss ein Fußballspieler machen, nur um im Spiel den einen entscheidenden Schritt schneller zu sein als sein Gegenspieler? Wie oft muss ein Klavierspieler die immer selbe diffizile Stelle üben, bis sie endlich sitzt, bis er sie blind spielen kann? Keiner wird mir hier widersprechen, doch wenn es um das Lernen für die Schulfächer geht, dann treten diese Überlegungen schnell in den Hintergrund. Das legt dann allerdings den Schluss nahe, dass die Schule keine solche Motivationskraft besitzt wie der Sport oder die Musik. Das ist schade und steht im Gegensatz zu den großen finanziellen Mitteln und dem ideellen Aufwand der für unser Schulwesen eingesetzt wird. Ist die Schule nichts wert, weil sie nichts kostet? Sind die aus dem Boden sprießenden Privatschulen besser, nur weil sie etwas kosten? Bildung soll kein Privileg für die Oberschicht sein! Sie soll aber auch keine Selbstverständlichkeit sein! Ein bisschen Anerkennung und Wertschätzung von beiden Seiten täte dem gesamten System gut.

In einem zweiten Schritt soll es nach von Hentig an der Schule darum gehen, aus Kindern selbst bestimmte, mündige Mitglieder der Gesellschaft zu formen. Hierzu gehört Wissen aber eben auch eine sittlich-ethische Erziehung. Im Laufe des Schullebens erfahren die Kinder viele Situationen, in denen sie sich in diesem Bereich entwickeln können, sei es auf der Klassenfahrt, in der Mitarbeit in schulischen Gremien und AGs oder auch in hitzigen Diskussionen im Klassenverband. Häufig wird dieser Entwicklungsprozess als „Probehandeln“ bezeichnet, d.h. die Kinder erleben sich in sozialen Zusammenhängen, die auf einen kleinen Rahmen begrenzt sind und in dem Fehlverhalten toleriert, ja manchmal sogar erwünscht wird, um daraus Lernprozesse abzuleiten. Dieses Probehandeln wird aber in der Kursstufe immer stärker abgebaut. Die Verantwortung steigt, die Selbstdisziplin muss erlernt und auch angewandt werden. Dies zeigt sich bei der Anzahl der Fehltage, bei den gemachten oder nicht gemachten Hausaufgaben oder aber bei der Ernsthaftigkeit der Vorbereitung und Durchführung von Prüfungen. Das Probehandeln wird ersetzt durch konkretes Handeln mit ganz realen Folgen. Das wurde jetzt im Laufe des mündlichen Abiturs ganz deutlich. Das fängt schon an bei einer angemessenen Kleidung und einem entsprechenden Auftreten, geht weiter über formal richtig und gut gestaltete Materialien und endet logischerweise in einer inhaltlich und strukturell gut vorbereiteten Prüfung. All diese Parameter liegen in der Hand der Prüflinge und können demzufolge auch von diesen gestaltet werden. Geschieht dies nicht oder nur unzureichend, dann müssen sich die betroffenen Schüler, die Schule und das Elternhaus Fragen gefallen lassen.

In einem letzten Schritt geht es von Hentig darum, dass die Heranwachsenden auch ein Gespür dafür entwickeln und die Schule dieses Gespür auch vermittelt, in welchen Kulturkreis, in welche Traditionen sie hineingeboren wurden. Es herrscht allgemeine Übereinstimmung, dass dies zuvörderst die abendländische Kultur ist, die sich durch Toleranz, Selbstbestimmung, Freiheit und eine demokratische Grundordnung auszeichnet. Dies sind Werte, auf die wir stolz sein können und die es wert sind, bewahrt zu werden. Frieden, Freiheit und Wohlstand passieren nicht einfach so! Dafür muss man etwas tun; dafür muss man Verantwortung übernehmen; dafür müssen auch Opfer gebracht werden. Damit lässt sich nicht experimentieren! Das ist nicht wie bei Computerspielen, wo man einfach den Reset-Knopf drückt und dann geht alles nochmals von vorne los, so, als wäre nichts passiert. Nein, gewisse Prozesse lassen sich nicht oder nur schwer revidieren. Umso wichtiger ist es, dass die Grundausrichtung der Gesellschaft und des Einzelnen stimmt, dass wir uns auf allgemein anerkannte Grundwerte verständigen und an diesen zum Wohle aller festhalten und diese gegebenenfalls auch verteidigen. Hier ist eure Generation gefragt, wenn nicht schon heute, dann doch in naher Zukunft. Ihr werdet Verantwortung tragen, für euch, für die ältere Generation und für eure Kinder. Das mag noch weit weg erscheinen, in der Menschengeschichte ist es ein Wimpernschlag und ihr müsst darauf vorbereitet sein bzw. euch vorbereiten.

Mir ist bewusst, dass diese Rede stark moralisierende Elemente hat, aber wenn nicht heute wann dann, hab ich mich gefragt. Ein letztes Mal sitzt ihr hier mit euren Eltern vor mir und müsst mir zuhören. Jeder kann und soll sich das Passende heraus suchen. Diese Anmerkungen gehen auch weit über euren speziellen Abiturjahrgang hinaus und sie sollen auch keine Diskreditierung eures Jahrgangs darstellen. Im Gegenteil, ich habe euren Jahrgang als einen sehr sympathischen und engagierten Jahrgang kennen gelernt. Auch gab es in der Abiturprüfung exzellente Ergebnisse und zwei Schüler haben mit einem Abi-Schnitt von 1,1 herausragende Leistungen in der Kursstufe und im Abitur erbracht. Glückwunsch und Hochachtung! Ich mache mir um eure Zukunft keine Sorgen. Ihr müsst nur eure Fähigkeiten und speziellen Talente erkennen und diese zielstrebig verfolgen.

Lassen Sie mich, lasst mich, durchaus in Anlehnung und Fortsetzung meiner Anmerkungen, mit einem Zitat von Konfuzius schließen.

„Es gibt drei Arten klug zu handeln:
Die Erste ist durch Nachdenken, das ist die Edelste.
Die Zweite ist durch Nachahmung, das ist die Einfachste.
Und die Dritte ist durch Erfahrung, das ist die Bitterste!“

Es versteht sich von selbst, dass ich euch wünsche, dass ihr am Wirtemberg-Gymnasium das Nachdenken gelernt habt, dass ihr gute Vorbilder hattet und deshalb auch durch Nachahmung lernen konntet und dass sich die bitterste Art des Lernens, nämlich durch schlechte Erfahrungen, auf ein Minimum beschränken möge.

Mir bleibt nun nur noch auf das restliche Programm zu verweisen und mich bei allen Mitorganisatoren herzlich für die Gestaltung dieses festlichen Rahmens zu bedanken, vor allem bei Frau Mayer für die Organisation des Buffets. Ein ganz besonderer Dank geht an unsere zwei Abiturienten, Tobias Steinbrück und Merve Irim, die mit ihren musikalischen Beiträgen diese Feierstunde bereichern.

Ich freue mich außerordentlich, dass ich nun Hagar-Hibatullah Idkafif, kurz Hiba, anmoderieren darf. Sie hat im Abitur den besten Deutsch-Aufsatz verfasst und ihr gebührt nun die Ehre für den Jahrgang 2014 das Wort an die anwesenden Festgäste zu richten.

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